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эта статья о румынском кино
Das rumänische Kino begeistert ein Kenner-Publikum seit zehn Jahren mit lauter besten Filmen und räumt auf den Filmfestspielen in Cannes, Berlin und Locarno einen Preis nach dem anderen ab. Allein das hyperrealistische Drama «The Death of Mr. Lazarescu» von Cristi Puiu über einen Sterbenden, der in Bukarest von einem Spital ins nächste abgeschoben wird, gewann 44 Festival-Trophäen.
Wie fesselnd und sexy das rumänische Kino ist, beweist auch «Tuesday, After Christmas» über den etwa 35-jährigen Paul, der zwei Frauen liebt: seine Gattin und eine jüngere Zahntechnikerin. Aus Pauls Dilemma schöpft Regisseur Radu Muntean ein Drama, das alle Qualitäten aufweist, die man im Schweizer Film so oft vermisst: kluger Aufbau, Spannung ab der ersten Sekunde, präzise Inszenierung, authentische Dialoge, glaubwürdig und uneitel agierende Schauspieler, vibrierende Dringlichkeit, kurz, der Eindruck, die Geschichte sei aus dem Leben gegriffen. Warum weht die frische Brise ausgerechnet aus Rumänien, dem einzigen Land des einstigen Ostblocks, das nie einen cineastischen Aufbruch kannte?
«Der hauptsächliche Grund für diese neue Welle ist, dass wir das rumänische Kino, mit dem wir aufgewachsen sind, überhaupt nicht mochten», erklärt der 1971 geborene Radu Muntean an diesem kühlen Apriltag in einer Bar im Zentrum von Bukarest. «Es gab Propagandafilme sowie Spielfilme, die kommunistische Helden zeigten, meist einen aufrichtigen Bauern, der ums Überleben kämpft.» Sozialkritische Zwischentöne waren unmöglich. Rumänien hatte die strengste Zensur im Ostblock. Diktator Nicolae Ceausescu, der Analphabet gewesen sein soll, hat viele Produktionen persönlich visioniert. Deshalb sei die Filmsprache schönfärberisch gewesen: «Ein nichtssagendes Kino», sagt Muntean und rümpft die Nase, als klebte ihm etwas Stinkendes an der Oberlippe. «Deshalb macht meine Generation nun Filme, die sehr direkt, vorwärtsdrängend und ehrlich sind.»
Tatsächlich beginnt «Tuesday, After Christmas» unmittelbar, mit zwei Nackten, die nach dem Sex herumalbern. Die etwa zehnminütige Sequenz wirkt ungemein authentisch, fast dokumentarisch. «Ihren Eindruck fasse ich als Kompliment für mich und die Drehbuchautoren auf», freut sich die Schauspielerin Maria Popistasu. «Wir haben aber nie improvisiert, jede Bewegung, jeder Dialog stand im Script. Wir haben das lange geübt.» Über ein Jahr lang hat Muntean an den Dialogen gefeilt. «Die Wahrheit liegt in kleinen Gesten»: Davon ist er überzeugt.
Alle kennen sich
Radu Muntean ist Teil einer eingeschworenen Filmszene, in der man sich hilft. Sein Drehbuch zu «Tuesday, After Christmas» hat er seinem Kollegen Corneliu Porumboiu zum Beurteilen gegeben – und sich mit einer Reverenz revanchiert. Im Film findet Paul bei seiner Geliebten eine DVD von Porumboius «12:08 East of Bucharest» und diskutiert mit Dragos Bucur, dem Star aus Porumboius Film «Police, adjective», darüber. Der in Cannes als bester Erstling ausgezeichnete «12:08» kam 2006 zusammen mit Munteans «The Paper Will Be Blue» und «Wie ich das Ende der Welt feierte» von Catalin Mitulescu ins Kino. Sie alle zeigen den Fall Ceausescus aus individueller Alltags-Perspektive. «Bei der Revolution versprach man uns, nun werde über Nacht alles besser, doch es folgten harte Zeiten», erklärt der kettenrauchende Porumboiu in seinem Büro. «Ich konzentriere mich primär auf die Figuren, doch weil die in der Realität verankert sind, werden meine Filme zwangsläufig politisch. Sie zeigen, dass es doch Probleme gibt.» Er glaubt, Rumäniens Kultur sei zu stark schriftbasiert, es fehle eine wahrhaftige Bildkultur. Im Kalten Krieg sendete das staatliche Fernsehen nur zwei Stunden pro Tag (man müsse Strom sparen, sagte das Regime): eine Stunde Nachrichten mit und über Ceausescu, eine halbe Stunde Trickfilm und eine halbe Stunde aus einem Spielfilm.
Losgetreten wurde die neue Welle 2001 durch Cristi Puius Roadmovie «Stuff and Dough» über drei Teenager, die im postkommunistischen Rumänien mit korrupten Polizisten, schlechten Strassen, Benzinmangel und überrissenen Lebensmittelpreisen kämpfen. Da habe er gewusst, dass er auch realistisches Kino machen wolle, erzählt Porumboiu. Als er hört, dass der Schweizer Journalist keinen Termin mit Puiu hat, ruft er diesen spontan an.
Am nächsten Tag treffen wir Puiu in der Innenstadt. Der 44-Jährige besteht im Unterschied zu seinen jüngeren Kollegen darauf, Französisch zu sprechen. Schliesslich hat er in Genf die Filmschule besucht. Vom Establishment wurde sein ungestümer Erstling abgekanzelt. Das nationale Filmzentrum wollte «Stuff and Dough» verbieten, weil er mit seiner Gassensprache die Moral der Jugend pervertiere. Der altgediente Regisseur Sergiu Nicolaescu wetterte, der Film besudele das Image des Landes. «Ich wurde krank, war nur noch am Kotzen und musste hospitalisiert werden», erinnert sich Puiu. Die Abneigung der Regisseure gegenüber der alten Garde ist in den Gesprächen deutlich spürbar. Kaum eine Antwort kommt ohne Ceausescu aus, was unterstreicht, wie stark das neue rumänische Kino von der Frustration über den Diktator geprägt ist.
Cristi Puiu ist der Intellektuellste der Gruppe. Er ist als radikaler Verfechter der Autorentheorie stolz darauf, dass ihn eine Schauspielerin einmal als «Hitler» bezeichnete, weil er herrische Anweisungen gibt. «Der Akt der Kreation ist sehr persönlich, da darf man keine Kompromisse machen.» Für Kollegen, die in den ProMedia-Studios drehen, hat er nur Verachtung übrig. Rumänien leide an der Abidas-Kultur. «Abidas war in den neunziger Jahren eine Marke für gefälschte Adidas-Artikel.» MediaPro versuche Hollywood zu kopieren, das Resultat sei visionsloses Abidas-Kino. Den Ausdruck «Nouvelle Vague» akzeptiert Puiu, weil dieser ihn adle, er sei jedoch eine journalistische Fiktion: Es gebe keine gemeinsame Vision.